Übrigens …

war ich gar nicht sonderlich überrascht, als mir kürzlich eine junge Frau sagte, der Januar sei ihr soo lang vorgekommen. Er habe ja gar nicht vorbeigehen wollen. Denn das ist ja der Vorzug der Jugend: Zeit verrinnt noch nicht wie im Fluge, wie für uns Ältere, sondern ist noch ein langer, breiter, träge fließender Strom.

So hat man dann auch noch z.B. genügend Zeit, sich zu merken, wie alt man eigentlich ist. Denn auch das ist mir erst vor ein paar Tagen passiert: Dass in einer Gesprächsrunde ein Mann, nur ein paar Jahre jünger als ich, gefragt wurde, wie alt er denn sei; und er dann doch erstmal ein wenig nachdenken und -rechnen musste.

Und ich kann es ihm nicht verdenken. Denn, wenn ich selber so darüber nachdenke, dass ich dieses Jahr 63 werde, aber immer noch 62 bin, nächstes Jahr aber schon 64, dann wird mir in diesem meinem Alter das alles schon geradezu wie eine einzige Gegenwart. Und ich muss ebenfalls erstmal genauer überlegen: Wie alt bin ich den nun eigentlich genau in diesem Moment tatsächlich, wirklich jetzt also.

Ach, was waren das noch für Zeiten, als einem als Schüler z.B. 6 Wochen Sommerferien wie eine kleine Ewigkeit vorkamen. Zu Beginn geradezu unüberschaubar.

Warum es diesen so großen Zeitempfindungsunterschied zwischen Jung und Alt gibt, dafür kenne ich zwei Thesen.
Die eine besagt, dass einem im Alter so viele Alltagsverrichtungen so sehr zur Gewohnheit geworden sind, dass einem der Zeitaufwand dafür gar nicht mehr sehr auffällt.
Aber da habe ich so meine Zweifel. Denn bei all den vielen Alltagsveränderungen, sei es in Technik oder menschlichem Gebaren, die sich mir in den letzten Jahren geradezu aufgedrängt haben, will mir ein Gewöhnen daran kaum in den Sinn kommen.

Einleuchtender ist mir da schon eher die zweite These.
Danach wird unser Zeitempfinden sehr bestimmt vom Größenverhältnis der aktuellen Zeiträume zu den bereits erlebten. Je älter ich werde, desto kleiner und damit eben kürzer erscheint mir dann die aktuell durchlebte Zeit.
Als 10-jähriger war mir ein einziges Jahr ein ganzes Zehntel meines ganzen bisher erlebten Lebens. Als 60-jähriger ist mir ein Jahr nur noch ein Sechzigstel. Das ist schon ein großer Unterschied, so groß wie der Unterschied zwischen einer ganzen Stunde und bloß 10 Minuten.

Was kann dagegen helfen, wenn denn Hilfe not tut?
Ich denke, es ist die gute Konzentration auf die Gegenwart. Nicht immer zu sehr Nachsinnen über Vergangenheit und Zukunft, sondern sich so recht einlassen auf die Gegenwart – dann wird wohl auch die Zeit einem im guten Sinne wieder etwas langsamer und besser erlebbar, rinnt einem nicht einfach nur so durch die Hände.

Denn wie Jesus im Matthäusevangelium sagt:
„Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage.“ (6/34)

Gute Konzentration auf die Gegenwart.
Gerade wenn es eine schöne Gegenwart ist. Und wenn nicht, dann mag sie ja auch gerne schnell wieder vorbei sein. Da sind dann die Älteren im Vorteil.

Viele Grüße,

Christoph Harmening

Pastor